Wie geht eigentlich Remote Onboarding?

23.4.2024
Dass in Deutschland Fachkräftemangel herrscht, ist ein täglich wiederholter Gemeinplatz. Einige Unternehmen entscheiden sich deshalb, Remote Worker zu beschäftigen. Gerade in IT-Berufen bietet sich das an. Denn die Arbeit besteht ohnehin darin, sich gegenseitig Dateien von einem Computer zum anderen zu schicken. So ist es egal, wenn ein paar dieser Computer in Malaysia, Indien oder Pakistan stehen. Jedenfalls, solange die Internetverbindung steht.

Unternehmen, die auf Remote Work setzen, müssen sich dann natürlich Gedanken über das entsprechende Onboarding machen. Denn die gewohnten Prozesse – egal wie modern sie sein mögen – greifen auf die Distanz größtenteils nicht. 

Deshalb wollen wir im Folgenden ein paar relevante Parameter für ein effektives Remote Onboarding benennen. 

Was soll Onboarding eigentlich leisten?

Onboarding ist ein Prozess, der erheblichen Einfluss auf die Arbeitsleistung und -zufriedenheit von Beschäftigten hat. Werden diese ohne klare Informationen in den Arbeitsprozess geworfen, kann es aus Unkenntnis zu vielen an Missverständnissen und Fehlern kommen. Diese führen zu suboptimalen Arbeitsergebnissen, die alle Beteiligten schnell frustrieren. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffenen das Unternehmen vorzeitig wieder verlassen. 26% der Menschen, die ihren Job kündigen, tun dies, weil sie nicht richtig eingearbeitet oder geschult wurden. Und Mitarbeiter, die eine schlechte Onboarding-Erfahrung gemacht haben, suchen sich doppelt so häufig einen neuen Job. 

Da aber der Wettbewerb um qualifizierte Talente zunimmt, ist Mitarbeiterbindung besonders wichtig. Ganz abgesehen von den bis dahin angefallenen, fehlinvestierten Recruiting-Kosten, die dementsprechend keine Werte schaffen.

Onboarding soll deshalb:

  • neue Mitarbeiter mit ihren Aufgaben und Pflichten vertraut machen,
  • ihnen helfen, sich mit den Systemen vertraut zu machen, die sie im Zuge ihrer Arbeit verwenden werden,
  • ihnen helfen, schneller produktiver zu werden,
  • neue Mitarbeiter über Richtlinien, Prozesse und die interne Kultur des Unternehmens informieren,
  • es ihnen erlauben, ihre neuen Kolleg:innen kennenzulernen und 
  • neuen Mitarbeitern das Gefühl geben, willkommen zu sein.

Entwickeln Sie einen Onboarding-Prozess!

Es ist das Beste und gegenüber Ihren Mitarbeitern auch das Fairste, wenn Sie einen klar strukturierten Onboarding-Prozess entwickeln. 

Eigenschaften eines effektiven Onboarding-Prozesses: 

  • Er ist standardisiert, aber anpassbar, übersichtlich und verschriftlicht
  • Er beginnt schon vor dem ersten Arbeitstag. 
  • Er ist realistisch zu bewältigen. Denn Ihr Unternehmen hat nichts davon, wenn Ihren neuen Remote Mitarbeitern nach jedem Tag der Kopf raucht. Damit sabotieren Sie bloß den Lernprozess, dessen Qualität entscheidenden Einfluss auf Ihren Unternehmenserfolg haben wird. 
  • Er sieht eine großzügige Fehlerkultur vor, die ihre Erwartungen erst allmählich steigert.
  • Er bietet Gelegenheit zum Aufbau positiver, persönlicher Beziehungen zwischen Ihrem Stammpersonal und den Neueingestellten.
  • Jeder Tag sollte eine gute Mischung aus aufeinander bezogener Theorie und Praxis bieten. Das ist weniger langweilig und verbessert durch die Anwendung des Gelernten in praktischen Übungen den Lerneffekt.
  • Er sieht regelmäßige Gespräche zwischen Vorgesetzten und Kollegen vor. 

Vor dem ersten Arbeitstag

Das Onboarding sollte schon vor dem ersten Arbeitstag beginnen, nämlich ungefähr dann, wenn Sie sich bereits mündlich mit dem Kandidaten geeinigt haben. So sind am Anfang technische Fragen zu klären

  • Hat die Person schon geeignete Hardware? 
  • Oder bekommt sie ein Firmennotebook? 
  • Liegen weitere technische Voraussetzungen wie z.B. eine stabile Internetverbindung mit genügend Bandbreite vor? 
  • Müssen Sie ein VPN nutzen, um eine sichere Kommunikation zu gewährleisten?
  • Braucht der Kandidat Hilfe beim Ausfüllen von HR-Unterlagen?

In manchen Firmen, die besonders liebenswürdig mit ihren neuen Angestellten umgehen, wird diesen ein Welcome Pack zugeschickt. Es enthält dann oft Dinge wie ein T-Shirt oder eine Kaffeetasse mit dem Firmenlogo, Gutscheine, Arbeitsmaterial oder ein witziges Gadget für das Home Office. 

Es ist sinnvoll, neuen Mitarbeitern zu diesem Zeitpunkt auch schon ihr Programm für das Onboarding und ein digitales Mitarbeiterhandbuch zuzusenden. So können sie sich schon auf die erste Zeit im Unternehmen vorbereiten. 

Struktur des Onboardings

Es ist sinnvoll, das Onboarding für die ersten drei Monate zu planen. Der Plan sollte spezifische Ziele und Termine benennen sowie die Personen, mit denen zusammen an der Erreichung dieser Ziele gearbeitet werden soll. 

Die Ziele und Aktivitäten der ersten 30 Tage dienen einer ersten Einführung ins Unternehmen:

  • Einführung in die Unternehmenskultur
  • Kennenlernen von und Training mit unternehmensspezifischen Software-Plattformen und Intranetsystemen
  • Teilnahme an unternehmensspezifischen Trainings
  • Information über die Produkte und Kunden des Unternehmens
  • wöchentliche Einzelgespräche mit dem Manager
  • Kennenlernen der Teamkollegen
  • erste Arbeit an Projekten
  • Erstellung eines Karriereplans mit spezifischen Zielen, Metriken und KPIs 

Tag 31 bis 60 stehen dann im Zeichen der Zusammenarbeit mit Kolleg:innen und der Übernahme von mehr Verantwortung:

  • Zusammenarbeit mit anderen Teams 
  • vermehrte Beiträge zu den Unternehmensprozessen
  • Identifizieren von Problemen der Remote Beschäftigten in ihrer Rolle und Entwicklung von Plänen, diese Probleme zu überwinden
  • Aufsetzen eines Zeitplans für regelmäßige virtuelle Meetings mit Teams und Managern
  • Feedback vom Manager über die Lernfortschritte

Ziele und Aktivitäten für Tag 61 bis 90:

  • Beginn unabhängiger Arbeit an Projekten
  • Übernahme von mehr Verantwortung für ihre Arbeit
  • Entwicklung einer proaktiveren und engagierteren Haltung zum Unternehmen
  • regelmäßige Feedback-Gespräche mit dem Manager über Zielerreichung und KPIs

Insgesamt ist es günstiger, wenn Sie, wo dies möglich ist, neue Remote Worker gruppenweise onboarden. Das spart im synchronen Videocall Zeit, Themen, die alle betreffen, mit allen gleichzeitig zu besprechen.

Fördern Sie auch den Austausch und gemeinsames Lernen bei der Gruppe. Denn im Austausch mit Menschen in der gleichen Situation lernt es sich meist leichter.

Evaluation

Jedes Onboarding lässt sich verbessern und zielführender gestalten. Deshalb sollten Sie an dessen Ende Ihre neuen Remote Worker um eine Evaluierung ihrer Onboarding-Erfahrung bitten. 

Die Antwort auf die folgenden Fragen wären sicher in jedem Fall interessant:

  • Welche Onboarding-Aktivität fanden Sie am besten/schlechtesten? 
  • Wie fühlen Sie nach dem Onboarding?
  • Wovon wünschen Sie sich, dass sie mehr Zeit dafür gehabt hätten? Wovon weniger? 
  • Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen alles zur Verfügung steht, was Ihnen im Unternehmen zu beruflichem Erfolg verhilft? 
  • Haben Sie das Gefühl, dass Sie nach dem Onboarding Ihre neuen Kollegen gut genug kennen?

Form und Inhalt des Onboarding-Materials

Idealerweise haben Sie schon umfangreiches Onboarding-Material für Ihre neuen Mitarbeiter in der Ferne erstellt. Ein Unternehmenshandbuch ist auch sehr wünschenswert. Ebenso eine Art Survivalbuch als Ressource zu unternehmensspezifischen Begriffen und Bezeichnungen, auf die Remote Worker in Fällen von Verwirrung zurückgreifen können. 

Wenn Sie international rekrutieren, sollte all das natürlich auf Englisch sein.

Wenn irgend möglich, produzieren Sie Webinar- und Schulungsvideos. Diese können Sie jederzeit wieder für das Onboarding weiterer Remote Worker einsetzen. Sie haben den Vorteil, dass sie jederzeit abspielbar sind. So entsteht weniger zeitlicher Abstimmungsbedarf zwischen Lernenden und Lehrenden. 

Legen Sie Richtlinien, Grundsätze und Erwartungen fest und kommunizieren Sie sie:

  • Arbeitszeiten: Gleitzeit oder feste Arbeitszeit
  • wie das Management zu erreichen ist, wenn dies erforderlich ist
  • geben Sie für jedes Szenario eine Kontaktperson an
  • Grundsätze zum Thema Deadlines und Urlaub

Wenn Sie ein CMS oder andere unternehmensspezifische Backends nutzen, sollte Ihre IT-Abteilung Schulungen für neue Mitarbeiter anbieten. Legen Sie am besten auch eine Knowledge Base über den Umgang damit an und machen Sie es Ihren neuen Remote Beschäftigten zugänglich. So hält die Firma Dell ihre Onboarding-Materialien auf einer eigenen Website mit schriftlichen Dokumentationen und Videos vor. 

Auch eine von den Mitarbeitern entwickelte, unternehmensspezifische Schlüsselwortliste mit Slang und Abkürzungen, die nur von den Mitarbeitern verwendet werden, kann hier hilfreich sein.

Damit verhindern Sie proaktiv Nachfragen neuer Beschäftigter, die die Arbeitskraft Ihrer Stammbelegschaft binden. 

Kommunikation mit Remote Beschäftigten

Es ist sinnvoll, den frischen Remote Kräften für die Zeit des Onboardings eine erfahrene Kontaktperson als Onboarding Buddy/Mentor zur Seite zu stellen. Diese kann dringende Fragen beantworten und bei Problemen aller Art helfen. Laut einer US-Studie sagen 87 % aller Organisationen, dass ein Buddy Programm das Leistungsniveau neuer Arbeitskräfte fördert. 

Führen Sie regelmäßige Einzelgespräche mit Ihren Remote Beschäftigten! So sorgen Sie für ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Unternehmen. Das Online Billing-Unternehmen Chargify beispielsweise lässt deshalb neue Remote Beschäftigte regelmäßig Video Calls mit ihren direkten Vorgesetzten führen.

Stack Overflow veranstaltet mehrere Gesprächstermine neuer Remote Mitarbeiter. In diesen erzählt das Management des Unternehmens ihnen die Story des Unternehmens und steht für Fragen zur Verfügung. 

Legen Sie für solche Gespräche eine Tagesordnung fest, die Sie Punkt für Punkt abarbeiten. Planen Sie dies mit Blick auf die gewünschten Resultate. Konzentrieren Sie sich dabei nicht nur auf Themen der beruflichen Entwicklung und Leistung. Sprechen Sie durchaus auch über persönliche Themen, um ein klareres Bild der jeweiligen Person zu bekommen. 

Manche Unternehmen setzen auch Software ein, die zu einem festgesetzten Zeitpunkt je zwei zufällig ausgewählte Mitarbeiter zu einem Video Call zusammenschaltet. Auf diese Weise lernen Ihre Remote Mitarbeiter mehr Kolleg:innen kennen als die, mit denen sie gemeinsam an Projekten arbeiten. So lernen die Remote Worker und die Kolleg:innen im Unternehmen einander auf einer breiteren Basis kennen.

Grundsätzlich sollten Sie bei der Kommunikation mit Remote Beschäftigten so geduldig, höflich und zuvorkommend wie irgend möglich sein. Denn jede Unhöflichkeit, jede Benachteiligung wiegt auf die Distanz besonders schwer - einfach weil sie durch verhältnismäßig wenige andere, positive Eindrücke ausgeglichen und aufgewogen wird. 

Oft genug kommen hier auch kulturelle Unterschiede ins Spiel, die sich nur durch ein Höchstmaß an Professionalität überbrücken lassen.

Mit Zeitdifferenzen umgehen

Wer Remote Mitarbeiter:innen einstellt, die mehrere Zeitzonen entfernt leben, muss mit der Zeitdifferenz umgehen lernen. Ein praktisches Tool zu diesem Zweck ist das Weltzeitfeature des Google Kalenders. Es hilft dabei, synchrone Onboarding Meetings so zu planen, dass alle Beteiligten zu einer akzeptablen Zeit daran teilnehmen können. Die Mittagszeit ist dafür am besten geeignet 

Da lange Video Calls sehr ermüdend sind, sollten immer auch Pausen eingeplant werden. Nur wenige Menschen schaffen es, ihre Aufmerksamkeit länger als 50 Minuten zu fokussieren. 

Das Planen synchroner Meetings ist immer mit Aufwand verbunden. Deshalb ist es nützlich, für einen Großteil des Onboardings asynchrone Videos und vorproduzierte Trainingsvideos zu nutzen. Allerdings sind nicht alle Unternehmen auf die Produktion von Videos eingerichtet sind. Hier lohnt es sich gegebenenfalls, eine externe Medienproduktionsfirma (wie zum Beispiel metru) zu beauftragen. 

Ausblick

Sicherlich ist nicht in allen Unternehmen jede der oben beschriebenen Maßnahmen machbar oder erforderlich. Aber wir haben der Vollständigkeit halber so viele wie möglich aufgelistet. Wir hoffen, dass wir damit einen guten Überblick über das Spektrum der Möglichkeiten eines zweckmäßigen Onboardings geben konnten. 

Denn die Beschäftigung von Remote Mitarbeitern lohnt sich. Auch bei metru arbeiten wir seit Jahren mit ihnen. Wir haben sie natürlich mithilfe unserer eigenen Video Recruiting-Lösung gesucht, gefunden und eingestellt. Schon um die Wirksamkeit unseres Produkts zu testen!

Dieser Blogpost wurde erstmals im September 2021 in unserem alten Recruiter-Blog veröffentlicht.